Also jetzt mal für alle die, die nicht verstehen, wozu Twitter gut sein soll und warum jemand auf die Idee kommen sollte, all seinen Gedankenmüll dort abzuladen. Twitter hat mein Leben verändert. Twitter hat aus mir einen neuen Menschen gemacht. Dank Twitter fühle ich mich in die Gesellschaft integriert. Twitter IST mein Leben. Ich bin Twitter. Du bist Twitter. Wir sind Twitter!
Okay, jetzt nochmal langsam zum mitlesen, auch für die, die noch nicht so schnell mitkommen:
1. Dank Twitter weiß ich jetzt alles. Twitter ist mein Draht zum kollektiven Unterbewusstsein der Menschheit. Die Nachrichten gelangen nahezu sofort zu mir. Während die Redakteure der großen Magazine noch an ihren Texten feilen und heftig darüber debattieren, wie man die Fakten am geschicktesten verdreht, ist mir schon ein langer Bart gewachsen. Man könnte es auch so formulieren: Kaum macht einer von diesen Staatsterroristen den Mund auf, fängt es bei mir an zu riechen ;o)
2. Mein Horizont erweitert sich ungemein. Ich werde auf Tatsachen hingewiesen, die ich vorher niemals für möglich gehalten habe. Ich finde dank der vielen Blip.fm Links Musik, von der ich bisher noch nie gehört habe. Coole Videos, Software, Webseiten, Ratgeber, Artikel, Buchtipps und tausend Sachen mehr. Ich komme gar nicht durch, mir das alles anzusehen.
3. Im Gegensatz zu einigen Bloggern, die meinen, wegen Twitter gingen ihnen die Themen aus, über die sie bloggen könnten, hat mich Twitter erstmal wieder dazu inspiriert, meinen brachliegenen Blog fortzuführen. Endlich habe ich eine Zielgruppe gefunden, bei der ich annehmen kann, dass die meine Gedankenauswürfe tatsächlich lesen. Der Gehalt meiner Einträge passt halt nicht in einen Tweet, daher macht es für mich Sinn, hier und da einen ganzen Artikel zu verfassen. Wenn sich natürlich der Gehalt der Blogeinträge in 140 Zeichen zusammenfassen lässt, verstehe ich das Nichtmehrbloggenkönn-Problem.
4. Ich kann Leute kennen lernen. Der einzige Grund, warum das bisher nicht geschehen ist, war tatsächlich, dass meine Tweets nicht bei Twitter in der Suche aufgetaucht sind und ich so nicht am Twittagessen teilnehmen konnte. Da hätte ich einige Leute aus meiner Stadt kennengelernt. Aber ich war trotzig und habe mir gesagt, wenn Twitter mich benachteiligt, gehe ich da auch nicht hin. So. Natürlich hätte ich auch so hingehen können, ohne beim Twittagessen aufgelistet zu werden, aber das wär nun echt uncool. Ich hätte mich als nicht dazugehörend empfunden. Als Sonderling und Außenseiter und wer will das schon? Aber jetzt, da ich auch wieder in der Suche enthalten bin, werde ich die nächste Gelegenheit am Hashtag packen.
5. Icih kann die Netzgemeinde mit meinem subversiven politikerverachtenden Gedankengut infiltrieren. Icih mag diese machtbesessenen Egomanen nicht, denen es einfach nur darum geht, einen möglichst hohen Posten zu erstrampeln, um dann später ordentliche Posten in Aufsichtsräten zu kriegen oder wenigstens gute Pensionen. In der Politik passiert nichts, was den Menschen im Staat wirklich helfen würde. Darum geht's auch gar nicht. Dank Twitter muss ich nicht mehr meinen Friseur, den Bäcker oder den Busfahrer mit meinen üblen Nachreden belästigen, ich kann die ganze Welt behelligen.
6. Ich habe das Gefühl, dass hier jetzt noch eine sechster Punkt kommen muss, zu dem mir aber nicht wirklich was einfällt. Ich könnte sagen, ich rauche, trinke und kiffe nicht mehr, seitdem ich twittere, aber das habe ich halt auch vorher schon nicht getan. Also zu sechstens fällt mir jetzt nix gescheites ein.
Kommen wir also zum nächsten Punkt:
7. Ich bin wer! Bei twitter.grader.com steht, dass ich der #1 Twitterer in Karlsruhe bin. In Baden-Württenberg bin ich unter den Top 10 und in Gesamtdeutschland unter den ersten 50. Ich bin relevant! Okay, ich kriege jetzt vielleicht nie mehr einen Job, aber ich kann eines Tages mit dem Gefühl sterben: Ich habe es zu etwas gebracht. Fakt ist: Twitter stärkt mein Selbstvertrauen. Ich trete selbstsicherer auf, ich bin nicht mehr so schüchtern Frauen gegenüber und ich traue mir bei Meetings auch mal was zu sagen.
8. Endlich bin ich ein Teil der großen Betroffenheitsmaschinerie. Wenn im Iran das Volk tobt, kann ich Anteil nehmen, mein Logo grün machen, wenn Michael Jackson stirbt, sitze ich mit betroffenen Blick und offenem Mund vor dem Monitor und bin erschüttert, heule die ganze Nacht und komme am nächsten Tag mit Ringen unter den Augen zur Arbeit. Wenn in China ein Sack Reis umfällt, kann ich mich den Protestschreien anschließen: "Hebt ihn wieder auf!". Das ist toll, so fühle ich mich als Teil der Gemeinschaft. Ich kann meinen Enkeln später mal (also in wenigen Jahren) erzählen, ich war dabei. Damals. (Also vor wenigen Jahren). Okay, Twitter wird schon in drei Jahren sowas von Megaout sein, aber die Welt dreht sich halt schneller jetzt. Welt 2.0 eben.
9. Ich lebe nicht mehr so gefährlich, weil ich nicht mehr so oft raus gehe. Andere werden beim Dorffest oder auf dem Fussballplatz vom Blitzerschlagen, rasen mit dem Fahrzeug in eine Häuserwand oder stürzen mit dem Flugzeug ins Meer. Mir kann das alles nicht passieren. Okay. beim Twittern in der Badewanne ist auch schon jemand gestorben, aber ein bißchen Darwin ist überall. Jedenfalls ziehe ich mir beim Twittern keine Probleme in den Knien zu.
10. Wer schreibt, der bleibt, hat meine Mama immer gesagt und das gilt ja heute noch. Das Internet vergisst nicht, heißt es ja. Zwar sind alle Leute damit beschäftigt, Backups von ihren Tweets anzulegen, aber ansonsten hat ja jetzt jeder Zugriff auf das, was man schreibt. Irgendwann wird mal jemand einen 5.000 Jahre alten Server aus der Erde buddeln und die Datenbank finden, in der meine Tweets gespeichert waren und dann kommen sie ins Museum und die Leute werden staunen und rätseln, wie überaus intelligent die Menschen doch waren - damals, kurz vor dem großen Stromausfall...
"Ich lebe nicht mehr so gefährlich, weil ich nicht mehr so oft raus gehe. Andere werden beim Dorffest oder auf dem Fussballplatz vom Blitzerschlagen, rasen mit dem Fahrzeug in eine Häuserwand oder stürzen mit dem Flugzeug ins Meer. Mir kann das alles nicht passieren. Okay. beim Twittern in der Badewanne ist auch schon jemand gestorben, aber ein bißchen Darwin ist überall. Jedenfalls ziehe ich mir beim Twittern keine Probleme in den Knien zu." LOL!
Aufgenommen: Jun 28, 18:12